Thema des Monats September "Mama/Papa hat Krebs!"

Zusammengestellt von Mag. Nina Semmernegg, Klinische und Gesundheitspsychologin bei der Krebshilfe Steiermark.

Mit Kindern und Jugendlichen über Krebs sprechen

Jedes Jahr erkranken in Österreich etwa 40.000 Menschen an Krebs.
Die Diagnose ist trotz großer medizinischer Fortschritte und sich stark verbessernden Behandlunsgmöglichkeiten nach wie vor ein Schockerlebnis, sowohl für den/die Betroffene/n, als auch für das gesamte Umfeld, zu welchem häufig auch Kinder und Jugendliche gehören. Besonders schwierig ist die Situation für Kinder deren Elternteil an Krebs erkrankt sind. Aber auch Kinder, deren Großeltern, Tanten, Onkeln, Lehrer, oder andere dem Kind nahestehende Personen eine Krebsdiagnose erhalten, werden mit diesem schwierigen Thema konfrontiert.
Das verunsichert und macht Angst, vorallem wenn es viele unbeantwortete Fragen gibt und das Kind spürt, dass diese zu stellen ein Tabu bricht oder andere traurig macht.
Für Erwachsene ist es oft schwierig die richtigen Worte zu finden. Der Wunsch danach das Kind vor belastenden Themen zu schützen ist nachvollziehbar und verständlich. So entsteht oft ein Teufelkreis des Schweigens, aus Angst etwas Falsches zu sagen, sowohl auf Seiten der Kinder, wie auch auf Seiten der erwachsenen Bezugspersonen, wodurch die Kinder mit ihren Ängsten und Sorgen alleine bleiben.

Wie spreche ich mit meinem Kind über Krebs?
Wie bereits angedeutet, ist es vorallem wichtig, dass überhaupt etwas gesagt wird. Kinder sind sehr feinfühlig für Veränderungen in der Familie und bemerken oft schon viel früher, als von den Eltern vermutet, dass etwas nicht stimmt. Ein Kind merkt, dass die Eltern traurig und oft nicht zu den gewohnten Zeiten zu Hause sind, oder ihm nicht mehr die gleiche Aufmerksamkeit schenken (können) wie zuvor.
Auch wenn die Kinder nicht wissen, worum es geht, spüren sie doch, dass etwas nicht in Ordnung ist und machen sich Gedanken ob sie vielleicht etwas falsch gemacht haben könnten.
Es ist wichtig, auch kleine Kinder zeitnah, das bedeutet sobald es den Erwachsenen möglich ist, darüber zu informieren was los ist. Hierbei geht es nicht in erster Linie darum, dem Kind alle Details zu schildern, sondern die für das Kind wesentlichen Informationen zu geben und so ehrlich wie möglich zu sein. Das Wort „Krebs“ sollte in diesem Zusammenhang ruhig benutzt werden. Einerseits ist es für Kinder längst nicht so negativ besetzt wie für Erwachsene, andererseits wird das Kind in seinem Umfeld schon bald mit diesem Ausdruck konfrontiert werden und es ist immer besser schlechte Nachrichten von vertrauten Personen zu bekommen, als von Fremden.
Je kleiner das Kind ist, umso kürzer sollten die Gespräche sein, da es kleinen Kindern oft schwer fällt, länger konzentriert zu zuhören und das Gehörte in seine Gedankenwelt zu integrieren. Mehrere kurze Gespräche sind daher oft sinnvoller, als ein langes. Wichtig für das Kind sind die Informationen, wie sich sein persönlicher Alltag durch die Erkrankung ändern wird:
"Wer passt jetzt auf mich auf, wenn Mama arbeitet und Oma im Krankenhaus ist?"
"Wer fährt mich jetzt zum Fußballtraining, wenn Papa nicht Auto fahren kann?"
"Wer kocht jetzt für uns, wenn Mama krank ist?"
So banal diese Dinge vielen Erwachsenen erscheinen mögen, so sind sie für ein Kind, das auf die Fürsorge der Erwachsenen angewiesen ist, doch ganz existentiell.

Ängsten mit Ehrlichkeit und Offenheit begegnen
Viele Kinder sind auch der Meinung schuld an der Erkankung zu haben. „Oma hat mir vorige Woche verboten zu meinem Freund zu gehen und da hab ich mir gewünscht, dass sie sterben soll... Jetzt ist sie wirklich krank geworden, das wollte ich doch nicht!“
Sagen Sie ihrem Kind, dass es keine Schuld trägt. Krebs kann weder herbei- noch weggewünscht werden. Er ist auch nicht ansteckend, er kommt aus dem Körper selbst.
Vielen Kindern hilft es auch, eine Krebserkrankung bildlich darzustellen. Hierzu kann gezeichnet werden oder man nimmt Bauklözte, um dem Kind zu illustrieren was „gute“ gesunde Zellen im Körper sind und was „böse“ Krebszellen sind, die dazu führen, dass der Körper nicht mehr richtig funktioniert. Verwenden Sie für Erklärungen eine möglichst einfache Sprache und schildern Sie ihrem Kind auch was die nächsten geplanten Schritte sein werden.


Die richtigen Worte finden
Unter einer Operation oder Chemotherapie können sich Kinder oft nichts vorstellen, sagen Sie dem Kind ehrlich, was dabei passiert und worauf es sich einstellen muss,
z.B.: „Mama wird mehrere Tage im Krankenhaus sein und wenn sie nach Hause kommt, wird sie eine Woche oder auch länger nicht mit dir spielen können...“, „Papa wird eine Medizin bekommen, die die Krebszellen in ihm abtöten soll, aber die auch manche von den guten Körperzellen kaputt macht. Darum wird es ihm in dieser Zeit oft nicht gut gehen. Er wird häufig müde sein und vielleicht muss er sich auch manchmal übergeben. Der Arzt sagt, dass ihm auch die Haare ausfallen werden. Nach der Therapie sollen sie aber wieder nachwachsen.“).
Sagen Sie dem Kind nicht, dass alles gut wird. Formulieren Sie diese Hoffnung eindeutig als Wunsch: „Wir hoffen, dass die Ärzte Papa helfen können und er wieder ganz gesund wird.“
Haben Sie keine Angst davor, auch schlechte Prognosen oder Verschlechterungen mit ihrem Kind zu besprechen. Früher oder später wird es merken was los ist und möglicherweise enttäuscht sein, dass die Erwachsenen nicht ehrlich mit ihm waren.
Wenn Sie etwas nicht mit Sicherheit wissen, sagen Sie ihrem Kind das auch so. Kinder haben viele Ressourcen um mit schlechten Nachrichten zumgehen zu können, falsche Versprechungen oder Beschönigungen können hingegen die Beziehung belasten.
Es wird wohl mehrere Gespräche brauchen, damit ihr Kind im vollen Umfang begreifen kann was eine Krebserkrankung bedeutet. Sprechen Sie ehrlich über ihre eigenen Gefühle und sagen Sie dem Kind, dass es Ihnen alle Fragen stellen darf, die ihm dazu einfallen. Damit schaffen Sie ein offenes und wertschätzendes Klima.
Auch Jugendliche sollten diese Möglichkeit in Aussicht gestellt bekommen. Zudem ist es wichtig, Kinder und Jugendliche davor zu warnen im Internet über die Krebserkrankung zu recherchieren: „Es gibt ganz unterschiedliche Arten von Krebs und jeder Mensch ist anders. Die Ärzte haben gesagt wir sollen mit Fragen zu ihnen kommen und nicht im Internet nachlesen. Im Internet stehen auch ganz viele falsche Informationen, die uns nur unnötig beunruhigen würden.“

10 Wünsche für mich
Was sich Kinder von der Familie, von Freunden und Bekannten, Ärztinnen, von Kindergarten und Schule, ... wünschen, wenn Mama oder Papa Krebs hat
(vgl. Mama/Papa hat Krebs; Broschüre der ÖKH)
1.    Sprich mit mir – ich gehöre auch dazu.
2.    Sag mir die Wahrheit. Das ist schwer für mich, aber leichter als mit meiner großen Angst alleine zu sein.
3.    Erkläre mir die Sachen so, dass ich sie verstehen kann. Bitte setz dich mit mir hin und verwende einfache Worte, die ich gut verstehe.
4.    Komm zu mir und schau mit mir gemeinsam nach, ob ich von dir etwas wissen will. Von alleine traue ich mich nicht zu dir zu kommen, weil ich dich ja vielleicht nicht so gut kenne, weil du wenig Zeit hast und ich mich manchmal davor auch fürchte.
5.    Mitunter will ich etwas nicht wissen – dann lass das bitte zu.
6.    Sag mir, dass ich nicht schuld bin, dass Mama/Papa krank ist.
7.    Erkläre mir, was ich für meine Mama oder meinen Papa tun kann – ich will auch helfen.
8.    Manchmal will ich auch mit meinen Freunden spielen, wegfahren und Spaß haben. Bitte erkläre meinen Eltern, dass das normal ist und ich sie trotzdem lieb habe.
9.    Ich muss wissen, wer auf mich aufpasst, mir etwas kocht, mich in den Kindergarten oder die Schule bringt und bei mir ist, wenn ich krank bin. Bitte sag meinen Eltern, wie wichtig das für mich ist.
10.  Interessiere dich für mich, auch wenn du der Arzt / die Ärztin meiner Mama oder meines Papas bist.

Quellen:
Mama/Papa hat Krebs (2005). Broschüre der Wiener Krebshilfegesellschaft.
Krejsa, S: (2004). Mama hat Krebs: Mit Kindern die Krankheit begreifen. Stuttgart: Kreuz Verlag.
Broeckmann, S. (2002). Plötzlich ist alles ganz anders- wenn Eltern an Krebs erkranken. Stuttgart: Klett- Cotta.
www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/gesundheit/krebserkrankungen/index.html