Thema des Monats Dezember: "Weihnachten genießen trotz der Diagnose Krebs – kann das überhaupt klappen?"

Zusammengestellt von Maximilian Presker, MSc, Klinischer Psychologe bei der Krebshilfe Steiermark.

Die Diagnose Krebs ist für alle Betroffenen aber auch für ihre Angehörigen ein Schock. Der erste Impuls ist oft der des Nicht-Wahrhaben-Wollen. In einer Art Schockstarre wird das Thema anfangs vermieden und totgeschwiegen. Dieses Schweigen springt schnell auf den Rest der Familie und nahestehende Angehörige über. Niemand möchte etwas Falsches sagen und aus Angst davor, sagen viele nichts und lassen das Thema so unter den Tisch fallen. Zugegeben, es ist auch nicht immer leicht die richtigen Worte zu finden. So viel vorweg, „du musst jetzt positiv denken“ gehört aus meiner Erfahrung nicht zu den Sätzen die Betroffenen oder ihre Angehörigen in einer solchen Situation gerne hören wollen. Sätze wie diese machen eher wütend oder setzen gar unter Druck immer gut gelaunt und optimistisch sein zu müssen. Gerade an den Feiertagen begeben sich aber Betroffene und Angehörige in einen schwierigen Spagat, zwischen dem Nichtwahrhabenwollen und dem Versuch doch über die Erkrankung zu sprechen.


Die Diagnose Krebs betrifft die ganze Familie

Eine Krebsdiagnose betrifft natürlich in erster Linie die Erkrankten selbst, trotzdem ist die der Rest der Familie ebenfalls von den Auswirkungen der Diagnose direkt betroffen. Als Partnerin wird man damit konfrontiert einen geliebten Menschen schwer krank zu erleben, oft mit ungewissen Ausgang. Im ersten Impuls wird  daher oft versucht möglichst viele Dinge in die Hand zu nehmen um sich so gut wie möglich auf das was kommt vorzubereiten. Schnell wird aber klar, dass die Dinge die wir verändern können nur sehr begrenzt veränderbar sind. Dieser Zustand befeuert Ängste über Verlust aber auch die Sorge mit Anforderungen des ganz gewöhnlichen Alltags in Zukunft alleingelassen zu werden. Zukunftspläne werden plötzlich in Frage gestellt und die Hilflosigkeit lässt das tägliche Leben zur ultimativen Herausforderung werden.

Ähnliches erleben Kinder von Betroffenen. Wenn die Eltern krank werden, den alltäglichen Aufgaben nicht mehr wie gewohnt nachgehen können, wird plötzlich alles spürbar anderes. Kinder sind was diese Veränderungen angeht sehr sensibel, kochen öfters die Großeltern, müssen andere Verwandte und Freunde einspringen um sie abzuholen oder müssen Freizeitaktivitäten ausfallen, merken sie recht schnell, dass etwas nicht stimmt. Wenn ein Elternteil erkrankt erschüttert das die Welt der Kinder sehr. Körperkontakt und Nähe sind oft nur erschwert möglich oder phasenweise sogar verboten. Eine wichtiges soziales Bedürfnis der Kinder fällt damit weg und kann nur teilweise durch den Rest der Familie ersetzt werden. Spannungen innerhalb der Familie nehmen zwangsläufig zu.

Für kleinere Kinder haben die Worte „Krebs“ oder „Chemotherapie“ oft keinerlei Bedeutung, sie haben keine Vorstellung was damit auf die Familie zukommen könnte. Zeitgleich spüren sie aber auch die Traurigkeit und die Angst, die mit diesen Themen einhergeht. Oft fragen sie nicht nach, weil sie befürchten ein Tabuthema anzusprechen, oder die Eltern traurig zu machen. Manchmal geben sie sich aber auch selbst die Schuld daran „Mama ist krank geworden, weil ich nicht brav genug war!“ sprechen dies aber aus Angst oder Schamgefühl nicht aus.

Auch wenn die Kinder schon erwachsen sind, verändert sich durch eine Krebsdiagnose der Eltern vieles. Der sichere Hafen, den das Elternhaus oft darstellt, ist von heute auf morgen nicht mehr sicher. Nach Hause zu kommen ist womöglich nicht mehr mit dem vertrauten heimeligen Gefühl verbunden, sondern mit Sorgen und Ängsten um den gesundheitlichen Zustand der Eltern. Man kann den Eltern vielleicht ansehen wie schlecht es ihnen geht, oft enstehen dabei auch Schuldgefühle. Doch wie soll man das neben Beruf und eigener Familie schaffen? Und wollen die Eltern dieses Eindringen in ihre Privatsphäre überhaupt?

Auch die Eltern erkrankter Personen leiden oft massiv darunter, wenn ihre erwachsenen Kinder eine entsprechende Diagnose gestellt bekommen. Als Elternteil möchte man für sein Kind da sein, egal wie alt es ist, es beschützen und umsorgen. Sofort steht man mit gutgemeinter Hilfe oder Ratschlägen vor der Tür. Oft überfordert dieses Verhalten aber die Betroffenen enorm. Was dabei tatsächlich hilfreich ist und was nicht wird oft in der Hitze des Gefechts übersehen.

 

Die Feiertage als Stresskatalysator

Besonders Feiertage sind für viele Familien einer Herausforderung. Wenn ein Familienmitglied schwer erkrankt ist wird die Situation dadurch in der Regel nicht einfacher. Neben Traditionen die wegen der Erkrankung vielleicht nicht durchgeführt werden können oder Besuch der erweiterten Familie, der womöglich gar nicht so genau über den Zustand der Betroffenen Bescheid weiß, sind die eigenen Erwartungen an das Fest der größte Auslöser für Stress.

Als selbst Betroffene oder Betroffener fühlt man sich nicht selten schuldig, hat man doch das Gefühl der ganzen Familie das Fest zu verderben. Oft wird man auch traurig darüber sein bei manchen Traditionen nicht dabei sein zu können. Zusätzlich steht man immer wieder ungewollt im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Familienmitglieder haben Angst man könnte sich zu sehr anstrengen oder gar übernehmen. Andere wiederum betonen wie gut man doch aussehe obwohl man sich selbst garnicht gut fühlt. Und nicht zuletzt belastet uns selbst der negative Gedanke ob dies nicht vielleicht doch das letzte Weihnachtsfest ist, das man gemeinsam mit der Familie verbringen wird. Angesprochen wird dieses heikle Thema aber so gut wie nie, obwohl früher oder später der Gedanke bei jedem Familienmitglied kurz aufflammt. Das macht Angst und belastet sehr, worunter natürlich die Stimmung leidet. Das bekommt die ganze Familie zu spüren. Ein Teufelskreis der Anspannung und schlechten Stimmung entsteht.

 

Feste feiern, wie sie fallen…

Wie können wir diese Stressfalle nun vermeiden und uns und unserer Familie ein entspannteres Fest trotz Krankheit ermöglichen? Natürlich gibt es hier kein „Patenrezept“ das für alle Familien gleichermaßen anwendbar ist. Aber es gibt ein paar Anhaltspunkte die dabei helfen können angespannte Situationen zu vermeiden oder garnicht erst entstehen zu lassen:

  • Das Wichtigste vorweg: Sprechen Sie miteinander! Niemand kann in einen anderen hinein sehen und so weiß man oft nicht, was der andere brauchen könnte, oder was im Kopf des anderen gerade tatsächlich vorgeht. Nachzufragen ist hier ganz entscheidend. Gerade mit Kindern, die selbst noch wenig Erfahrungen mit belastenden Lebenssituationen gemacht haben, ist es wichtig auszudrücken wie man sich selbst fühlt. Die Kinder haben dadurch einerseits die Möglichkeit die Situation besser zu verstehen und andereseits wird es dadurch einfacher unsere eigenen Sorgen und Wünsche zu formulieren. „Ich habe selbst Angst und bin traurig, oft weiß ich auch gar nicht wie ich mich fühle. Ich kann dir auch nicht genau sagen, was noch alles auf uns zukommt, aber ich verspreche dir, dass du alle wichtigen Informationen bekommst, sobald ich selbst gute Worte dafür gefunden haben. Du brauchst keine Angst zu haben, dass ich dir etwas verheimliche und du darfst alles fragen was du wissen magst. Manchmal werde ich müde, schlecht gelaunt oder traurig sein. Das ist dann aber nicht deine Schuld, sondern die Schuld der Krankheit.“
  • Wenn es um die Planung des Weihnachtsfestes geht, spüren Sie einmal in sich selbst hinein und überlegen Sie welche der möglichen Optionen sich am angenehmsten anfühlt. Möchten Sie Ihre Ruhe haben und alleine sein?  Oder wären Sie gerne mit anderen zusammen? Überlegen Sie sich bewusst wen Sie gerne dabei hätten und auf wen Sie vielleicht verzichten würden? Gibt es Traditionen, die Ihnen besonders wichtig sind und welche auf die man auch getrost verzichten kann? Wichtig ist, dass es sich für Sie stimmig anfühlt und sie nicht schon beim Gedanken an die bevorstehenden Feierlichkeiten Erschöpfung oder Groll empfinden. Wie es dem Rest der Familie damit geht klammern Sie erstmals aus, jetzt geht es um Sie. Wenn Sie wissen was Sie wollen kann man im gemeinsamen Gespräch mit dem rest der Familie herausfinden in welcher Form das Fest durchführbar ist.
  • Trauen Sie sich auszusprechen, was sie gerne hätten und was nicht. Oft möchte man niemandem zur Last fallen, doch Angehörige fühlen sich manchmal so hilflos, dass sie es manchmal mit Hilfe zu gut meinen und das kann überfordernd sein. Sagen Sie deutlich was für Sie stimmig ist und was nicht. Achten Sie dabei auf ausreichend Ich-Botschaften.
  • Achten Sie auf sich und Ihre Bedürfnisse und motivieren sie Ihre Familie es Ihnen gleich zu tun, auch wenn es nicht immer einfach ist. Oft haben wir vorgefertigte Glaubensätze oder Vorstelleungen so verinnerlicht, dass es uns schwer fällt davon abzulassen. Stellen Sie sich daher ganz bewusst die Frage: „Was brauche ich in dieser Situation?“, „Was tut mir jetzt gut?“
  • Erlauben Sie sich zu genießen. Bleiben Sie im Hier und Jetzt und orientieren Sie sich an den kleinen schönen Dingen in Ihrem Leben. Wenn es Ihnen schwer fällt aus ihrem Gedankenkarusell auszubrechen versuchen sie sich mit einfachen Achtsamkeits- und Entspannungsübungen zu beruhigen.
  • Scheuen Sie sich nicht davor die kostenlose Hilfe durch das Beratungsteam der Österreichischen Krebshilfe Stmk. in Anspruch zu nehmen, um für sich selbst und Ihre Familie einen individuellen Weg zu finden!

 

Die Österreichische Krebshilfe Steiermark wünscht Ihnen und Ihren Lieben frohe Festtage und ein wunderbares Weihnachtsfest!