Thema des Monats Februar: "Fatigue - Wenn die Krankheit müde macht"

Zusammengestellt von Mag. Nina Semmernegg, Klinische und Gesundheitspsychologin bei der Krebshilfe Steiermark.

"Fatigue - Wenn die Krankheit müde macht"

Eine Krebserkrankung ist eine große Herausforderung auf vielen Ebenen und in vielen Lebensbereichen. Therapien, Untersuchungen, Medikamente und die vielen Veränderungen im Alltag können für Körper und Psyche eine große Belastung darstellen.
Hinzu kommt oftmals eine drückende, alles überschattende und regelrecht quälende Müdigkeit als ständiger Begleiter.
Rund 80% aller KrebspatientInnen, die sich einer Chemo- oder Strahlentherapie unterziehen müssen, leiden im Verlauf ihrer Erkrankung unter einer massiv quälenden Müdigkeit und Erschöpfung – tumorassoziierte Fatigue genannt.
Diese kann kurzzeitig während der Therapie auftreten und bald wieder von alleine verschwinden. Oft leiden Menschen aber auch nach einer bereits abgeschlossenen Therapie über Wochen oder Monate noch unter Erschöpfung und Müdigkeit. Hier spricht man von einer chronischen Fatigue. Unter Umständen kann sie als Spätfolge auch erst bis zu einem Jahr nach der Behandlung auftreten und wird daher häufig nicht mehr direkt mit der Krebserkrankung in Zusammenhang gebracht.


Was ist Fatigue?
Das französische Wort „fatigue“ (Fatieg gesprochen) leitet sich vom lateinischen Wort „fatigatio“ ab und bedeutet übersetzt Ermüdung oder Erschöpfung. Der Name ist Programm: Betroffene Patienten beschreiben ein Gefühl quälender Müdigkeit und Erschöpfung, die in keiner Relation zur vorangegangenen Anstrengung steht und sich auch durch Schonung und ausreichend Schlaf nicht bessert. Schon morgens nach dem Aufstehen ist die Erschöpfung so groß, als käme man gerade von einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause. Auch kleine Tätigkeiten oder deren bloße Planung, werden als anstrengend und ermüdend erlebt. Hinzu kommen häufig auch Konzentrationsprobleme und Stimmungsschwankungen. Die Müdigkeit ist im Alltag massiv beeinträchtigend und somit eine große Belastung für den Körper aber auch die Psyche.


Was sind die Ursachen für Fatigue?
Aus medizinischer Sicht handelt es sich bei Fatigue um einen Symptomkomplex, welcher als eine Begleiterscheinung einer Krebserkrankung und deren Behandlung auftritt. Die Ursachen dafür können vielfältig sein. Je nach Art der Krebserkrankung kann der Tumor selbst direkt, oder indirekt über eine Verschlechterung des Blutbildes, Müdigkeit auslösen. Weitaus häufiger handelt es sich allerdings um eine Nebenwirkung der Therapie und der benötigten Medikation. Weitere Ursachen können Mangelernährung, hormonelle Veränderungen, Infektionen, Schmerzen, Schlafstörungen, aber auch Ängste und Depressionen sein.
Ängste und Depressionen treten bei Krebserkrankungen sehr häufig auf. Es zeigt sich, dass ein Zusammenhang zwischen chronischer Müdigkeit im Sinne einer tumorassoziierten Fatigue und einer depressiven Symptomatik besteht. So führt die Depression einerseits zu Antriebslosigkeit und Müdigkeit, umgekehrt kann aber auch die Fatigue der Auslöser einer Depression sein!
Viele Patienten sind verunsichert was diese Müdigkeit zu bedeuten hat.
„Die Chemo ist doch schon vorbei, jetzt sollte es mir eigentlich doch wieder gut gehen! Alle sagen mir, ich hätte es jetzt überstanden und jetzt ist alles wieder gut. Aber nichts ist gut, ich bin einfach nur müde und ausgelaugt“, so oder so ähnlich beschreiben viele Menschen die Situation nach abgeschlossener Therapie. Oft entstehen sogar Phantasien darüber, dass man bald sterben muss, wenn man nur mehr müde und erschöpft ist und keinen Antrieb mehr hat, um Dinge zu tun die Freude machen würden. Diese Gedanken sind sehr beängstigend und belastend. Tatsächlich ist diese Angst fast immer unbegründet. Dennoch ist Fatigue als negativer Einflussfaktor auf die Lebensqualität in jedem Fall ernst zu nehmen und sollte hinsichtlich eines Therapiebedarfs abgeklärt werden! Obgleich es im ersten Moment nicht so erscheinen mag, kann es hinsichtlich des therapeutischen Ansatzes große Unterschiede machen, ob es sich nun um eine Depression, Fatigue oder eine Kombination aus beidem handelt.


Was hilft bei Fatigue?
Neben medikamentöser Unterstützung und Bewegung, stellen psychologische Therapieansätze, wie Aufklärung, Verbesserung der Schlafhygiene, Entspannungstechniken, Konfliktlösung, und Verhaltensänderung die wichtigsten Methoden bei der Behandlung von Fatigue dar. Psychoonkologische Beratung für Patienten und Angehörige kann hier von besonderem Nutzen sein!
Der erste Schritt ist jedenfalls die Müdigkeit nicht als unumgänglich hinzunehmen und zu erdulden, sondern in Aktion zu kommen:
•    Sprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt und beschreiben Sie, wie es Ihnen geht. Ein einfacher Bluttest kann oft schon Aufschluss über etwaige Mangelerscheinungen oder andere Probleme geben.
•    Sorgen Sie für ausreichend Schlaf!
•    Seien Sie geduldig mit sich und hören Sie auf Ihren Körper!
•    Planen Sie wichtige Tätigkeiten zu Tageszeiten ein, an denen Sie mehr Energie haben. Achten Sie darauf sich nicht zu überfordern!
•    Führen Sie ein Energietagebuch in dem Sie vermerken wann sie was gemacht haben und wie Sie sich danach gefühlt haben. So lassen sich „Energiefresser“ aber auch „Tankstellen“ herausfinden.
•    Sprechen Sie mit Ihren Angehörige – immerhin hat es jetzt einen Namen: Fatigue. Versuchen Sie zu erklären, wie es Ihnen geht und bitten Sie um Rücksichtnahme. Fatigue ist nicht nur für den/die Betroffene/n selbst belastend, sondern auch für die Menschen um ihn/sie herum.
•    Gehen Sie sorgsam mit Ihren Energien um und delegieren Sie die eine oder andere Aufgabe an Familie oder Freunde. Meist sind die Menschen in Ihrem Umfeld froh, wenn Sie Ihnen etwas Gutes tun können. Lernen Sie zu formulieren was hilfreich für Sie ist und scheuen Sie sich nicht davor Hilfe in Anspruch zu nehmen!
•    Suchen Sie vermehrt positive Ablenkung in Aktivität, die Ihnen Freude bereitet.
•    Machen Sie Bewegung, wenn möglich an der frischen Luft! Besprechen Sie vorab mit Ihrem Arzt welche Art der Bewegung für Sie in Frage kommt.
•    Nehmen Sie psychologische/psychotherapeutische Beratung in Anspruch.
 

Jede/r muss einen individuellen Weg für sich aus der Müdigkeit finden. Gerade die aktuelle Situation mit und um COVID-19 macht es in vielen Bereichen noch schwieriger. Das Beratungsteam der Krebshilfe Stmk. hilft Ihnen auch jetzt gerne dabei Lösungsstrategien für sich zu entdecken und umzusetzen!


Quellen:
•    Die blauen Ratgeber „Fatigue – chronische Müdigkeit bei Krebs“ der Deutschen Krebshilfe
•    Ratgeber Fatigue-Syndrom (aufgerufen am 09.01.2019)
www.fatigue.info
•    Krebsinformationsdienst – Fatigue (aufgerufen am 09.01.2019)
www.krebsinformationsdienst.de/leben/fatigue/fatigue-index.php
•    Deutsche Fatigue Gesellschaft (aufgerufen am 09.01.2019)
deutsche-fatigue-gesellschaft.de/fatigue/was-ist-fatigue/