Zusammengestellt von Mag. Kerstin Rauter, Klinische und Gesundheitspsychologin und Psychotherapeutin bei der Österr. Krebshilfe Steiermark
Angehörige und Krebs
Im Laufe der Zeit einer optimierten psychoonkologischen Betreuung ist der Blickwinkel der zu betreuenden Personen weiter geworden. Nicht nur der an Krebs erkrankte Patient, sondern auch seine Angehörige (Partner, Kinder, Eltern, Freunde) sind in die Begleitung, Betreuung und Behandlung eingeschlossen.
Es ist mittlerweile selbstverständlich, dass auch sie unbedingt eingebunden werden müssen!
Die Zeit einer Krebserkrankung ist auch für Angehörige ungemein fordernd, vor allem emotional. Unterschiedlichste Gefühle, wie der Schock bzw. die emotionale Betäubung, Angst und Sorge, Hoffnung, Hilflosigkeit, Verzweiflung werden gemeinsam erlebt.
Auch die mit dem Krebspatienten verbundenen Menschen erleben und teilen belastende Gefühle, sind aber gleichzeitig in der Position um für den anderen da zu sein, zu stärken, Mut zu machen und haben häufig gleichzeitig das Gefühl mit der eigenen Betroffenheit umgehen zu müssen.
Sie führen den Alltag weiter, übernehmen Aufgaben des Erkrankten, sind sowohl im Bereich des täglichen Lebens als auch im emotionalen Beistand gefordert. Sie müssen genauso ihre Alltagsabläufe und Lebensplan zumindest zeitweise verändern. Teilweise kann durch die Arbeitsunfähigkeit des Angehörigen noch zusätzlich ein finanzieller Druck entstehen, der enorm belasten kann.
Eigene Gefühle können nur schwer gelebt werden. Dazu gibt man sich als Familienmitglied kaum die Erlaubnis. Einerseits aus Schutz des Betroffenen, um ihm/ihr nicht noch größere Sorgen zuzumuten, andererseits auch aus dem Gefühl einfach Funktionieren zu müssen. Gerade wenn gemeinsame Kinder da sind, kann man nicht „mitleiden“. Eigene Bedürfnisse, Interessen, wichtige soziale Kontakte werden kaum mehr wahrgenommen oder befriedigt.
Ein weiteres herausforderndes Thema in diese Zeit ist sicher die Kommunikation miteinander. Fragen: Wie spreche ich das Thema an? Wann ist der richtige Zeitpunkt? etc. sind immer schwer zu beantworten. Grundsätzlich gilt, je offener und je ehrlicher sie miteinander umgehen, umso besser. Schweigen ist in diesem Fall das Schlechteste, das sie machen können. Vermeiden Sie Ratschläge, hier steckt das Wort Schlag drin und genauso wird es oft von Krebspatienten erlebt. Seien Sie behutsam in der Forderung nach einem zum Bespiel gesünderen Lebensstil. Gerade in einer Krisenphase ist eine Veränderung aus energetischen Gründen nicht möglich. Leichter wird es indem sie erzählen, was Sie als Angehörige beschäftigt, sorgt oder ängstigt. Versuchen Sie es auch zuzulassen, wenn der Kranke über ein mögliches Sterben oder den Tod sprechen möchte. Das Ausweichen von schwierigen Themen führt eher dazu, dass sich der an Krebs Erkrankte nicht mehr ausreichend verstanden fühlt.
Auch beim Auftreten von Nebenwirkungen der Therapie kann man an als nicht direkt Betroffener an seine Grenzen stoßen. Es ist fürchterlich zusehen zu müssen, wenn Appetitlosigkeit, Schmerzen, Übelkeit, Haarausfall, massive Kraftlosigkeit oder Gedächtnisstörungen auftreten. Diese Hilflosigkeit erleben viele als qualvoll.
Die Balance zwischen dem Auftanken, dem auf sich schauen, und dem was Energie kostet, geht fast immer für eine Zeit lang verloren. Die Selbstfürsorge kann für einen Zeitraum nicht mehr gelebt werden. Das führt auch dazu, dass es auch bei den Angehörigen nach einer überstandenen Erkrankung lange braucht, bis sie sich wieder erholen.
Trifft noch viel Schlimmeres ein und das Unsagbare trifft zu, der/die Liebste stirbt, dann müssen alle Beteiligten aus dieser Ausganglage auch noch mit der Trauer umgehen, die wiederum sehr kräftezehrend ist.
Nun ein paar Empfehlungen für die Angehörigen:
• Gehen Sie, wenn möglich und vom Patienten gewünscht bzw. erlaubt, mit zu Befundbesprechungen oder anderen wichtigen Terminen und fragen Sie alles, was für Sie Relevanz hat.
• Versuchen Sie auch in den schwierigsten Zeiten im Kleinen etwas für sich zu tun, sei es ein Bad, ein stützendes Telefonat mit Freunden, ein Saunabesuch, ein Kinoabend, Sport, ein Spaziergang in der Natur etc. Diese wertvollen Oasen, in denen die Krankheit für eine Weile aus dem Fokus rückt, können im Alltag ihre Energien wieder aufladen.
• Sprechen Sie offen und mutig über Gefühle, Wünsche und Grenzen der Belastbarkeit und alles andere, was Ihnen durch den Kopf geht.
• Lassen Sie, soweit es vom Gesundheitszustand des Erkrankten möglich ist, die Aufgaben, die er/sie vor der Erkrankung im Alltag hatte und weiterhin übernehmen möchte, bei ihm/ihr. Dies ist enorm wichtig für das Erleben von Selbstbestimmung und dem Erhalt des Selbstwertes. Eine übertriebene Schonung kann sich kontraproduktiv auswirken.
• Falls Sie sich überfordert fühlen oder einfach das Gefühl haben, externe Hilfe könnte stützend sein, zögern sie nicht sich bei der Österreichische Krebshilfe Steiermark oder anderen psychologischen Angeboten Hilfe zu holen.
Vergessen Sie nicht: Nur wenn Sie stark sind, dann können Sie auch diese Stärke ein Stück weit weiter geben.