Thema des Monats Juni: "Ich sollte doch glücklich sein" - Die Zeit nach der Krebserkrankung

Zusammengestellt von Mag. Nina Bernhard, Bakk., Klinische und Gesundheitspsychologin und Beratungsteamleiterin bei der Krebshilfe Steiermark.

Die Frage, warum sich viele Menschen nach abgeschlossener Krebstherapie nicht glücklich fühlen, führt zahlreiche Betroffene in die Beratungsstellen der Krebshilfe. Sie versuchen Ursachen für ihre unerwarteten Gefühle zu finden. 

Menschen, die mit der Diagnose Krebs konfrontiert werden, unterteilen ihr Leben oft in zwei Phasen: die Zeit „vor“ und „nach“ der Krebserkrankung. Die Erkrankung löst bei den meisten Menschen eine tiefgehende, existenzielle Angst aus und stellt einen Einschnitt im Leben dar. Bei der Diagnosestellung hoffen Betroffene und ihre Angehörigen, dass die Behandlung erfolgreich verläuft, möglichst rasch vorübergeht und die Krankheit schnell überwunden wird. Sie warten sehnlichst und freuen sich darauf, das Leben „danach“ endlich wieder in gewohnter Weise leben zu können. Dennoch stellt sich bei den meisten Betroffenen das erhoffte und erwartete Glücksgefühl nach Abschluss der Therapie nicht ein. 

Während der Therapiezeit steht die Bewältigung des veränderten Alltags im Mittelpunkt – sowohl für Patient:innen als auch für ihre Familien. Nach einer  körperlich und psychisch meist sehr fordernden Behandlungsphase treten andere Themen in den Vordergrund: die Angst wieder zu erkranken (Angst vor einem Rezidiv - Progredienzangst), Gefühle von chronischer Erschöpfung und/oder Überforderung sowie körperliche und soziale Folgen der Erkrankung, manchmal auch Selbstwertprobleme. Doch genau von dieser Zeit, in der so viele verschiedene neue Themen im Leben präsent werden, erwarten viele Betroffene, dass sich abrupt Normalität einstellt und sie ihren vor der Erkrankung gewohnten Alltag wieder aufnehmen können. 

Zusätzlich zu ihren eigenen (zu) hohen Ansprüchen an sich selbst, sehen sich viele Betroffene auch mit den mehr oder weniger realistischen Erwartungshaltungen ihres Umfelds konfrontiert. Häufig ist der Wunsch des nahen Umfelds nach Normalität so groß, dass bestehende Einschränkungen bei den PatientInnen nicht wahrgenommen werden. Das kann dazu führen, dass unrealistische Erwartungen an Betroffene gestellt und deren Grenzen nicht respektiert werden. Dies verunsichert und belastet Krebspatient:innen in der Nachsorge oftmals außerordentlich.

Die meisten PatientInnen können nach erfolgreich abgeschlossener Krebsbehandlung nicht wieder nahtlos in ihren Alltag zurückkehren. Die körperliche Leistungsfähigkeit ist oft eingeschränkt und psychische Probleme und Belastungen sind keine Seltenheit.

Viele erleben in dieser Zeit ein regelrechtes Gefühlschaos. Einerseits sind sie sehr froh die Therapie abgeschlossen zu haben, andererseits treten häufig Erschöpfung, depressive Verstimmungen und Angstgefühle auf.

In dieser Phase stellen sich Fragen wie: Was hat die Erkrankung im Leben verändert? Bin ich wieder vollständig gesund? Wie gestaltet sich der Alltag jetzt neu? Welche Aufgaben kann ich wieder übernehmen? Wo benötige ich noch Unterstützung? Wie geht es beruflich weiter? Will ich die Person sein, die ich vorher war, und kann ich dieser Rolle wieder gerecht werden?

Die Progredienzangst, die Angst vor einem Rückfall, ist in der Nachsorgezeit sicherlich eine der größten Herausforderungen im Umgang mit der Krebsdiagnose. Viele möchten ein Rezidiv (Rückfall) unbedingt vermeiden und versuchen aktiv ihre Gesundheit zu erhalten. Dabei entwickeln sie Konzepte zur Selbstfürsorge, manchmal auch basierend auf Empfehlungen ihres Umfelds. Dabei erleben Betroffene aber häufig, dass die Anforderungen, dauerhaft gesund und nach strikten Regeln zu leben, Stress verursachen und damit zum inneren Zwiespalt führen können.

Trotz der Belastungen – der schweren, manchmal schmerzhaften Zeit der Erkrankung – berichten viele ehemalige Patient:innen, dass sie in dieser Zeit viel über sich selbst gelernt haben. Sie sind sich selbst nähergekommen, haben gelernt, achtsamer zu sein, ihre Bedürfnisse besser wahrzunehmen und den Alltag bewusster zu gestalten. Auf diesem Weg können sie sich von Psychoonkolog:innen der Krebshilfe begleiten lassen, um den Übergang in ihren Alltag „danach“ gut zu meistern.

Die Österreichischen Krebshilfe Steiermark bietet in allen steirischen Bezirken Beratungsgespräche für KrebspatientInnen und ihre Angehörigen kostenlos und auf Wunsch anonym an! Unter der Telefonnummer 0316 / 47 44 33 oder der E-Mail beratung(at)krebshilfe.at können Sie ein kostenloses psychoonkologisches Beratungsgespräch vereinbaren. Diese Kontaktdaten gelten für alle Bezirke der Steiermark.