Thema des Monats Juni "Krebs und Kommunikation"

Zusammengestellt von Maximilian Presker, MSc, Klinischer Psychologe bei der Krebshilfe Steiermark.
 

Krebs und Kommunikation

 

„Man kann nicht nicht kommunizieren!“ (Paul Watzlawick)

Dieses Zitat lässt uns den Kern der menschlichen Kommunikation leicht begreifen. Egal ob mit Worten oder rein nonverbal wir teilen uns ständig und überall anderen mit ob wir wollen oder nicht. Kurzgesagt: Kommunikation bestimmt unser Leben und das unserer Mitmenschen. Sie kann uns nützen aber auch behindern. Im Fall einer Krebserkrankung stellt gelungene Kommunikation einen Faktor dar, der wesentlich zur Lebensqualität von Betroffenen und Angehörigen beitragen kann. 

 

Eine so schwere Erkrankung, wie Krebs lässt fast allen Betroffenen zumindest kurzzeitig den Boden unter den Füßen verlieren. Kaum jemand ist darauf vorbereitet, kann mit den aufkommenden Gefühlen und den existentiellen Ängsten umgehen und diese verarbeiten. Wie denn auch? Ein Major Life Event wie dieses ist meist die Ausnahme und nicht die Regel. Um so schwierige ist es dann über die Diagnose und den verbundenen Unsicherheiten zu sprechen, vor allem mit den nahestehenden Angehörigen. Betroffenen sollten sich daher schon früh die Frage stellen, wie man sich selbst - vor der Erkrankung - verhalten hätte, wenn jemand in der Familie oder im Freundeskreis an Krebs erkrankt wäre. Diese gedankliche Vorstellung kann helfen, in Zukunft offener auf andere zu zugehen und damit die Kommunikation zwischen den GesprächspartnerInnen zu fördern. Ein weiterer Hilfsfaktor bei der Kommunikationsverbesserung ist der Informationsfluss: Betroffene haben viel mehr Informationen als andere. Sie haben durch das Gespräch mit Ärzten und PsychologInnen die Information aus „erster Hand“. Familienangehörige haben diese Informationen nicht und tappen daher was Behandlung und Prognose betrifft im Dunklen. Um den Angehörigen zu ermöglichen bestmöglich zu helfen und ihren eigenen Umgang mit dem schwierigen Thema zu finden wäre des deshalb wichtig, dass Betroffene Informationen weitergeben, und „transparent“ machen.

Im selben Maß wünschen sich PatientInnen im Krankenhaus bestmöglich informiert zu werden und bei der Behandlung aktiv mit einbezogen zu werden. Sie möchten von den BehandlerInnen als SpezialistIn für den eigenen Körper akzeptiert und hinzugezogen werden. Auch hier gilt Transparenz, Offenheit und Informationsweitergabe als zentraler Punkt der Kommunikation um eine tragfähige Arzt-Patienten-Beziehung zu etablieren.

Die Angehörigen sind in der gleichen Situation. Sie wollen die Betroffenen unterstützen und brauchen dafür selbstverständlich auch Informationen. Bei einer guten Kommunikation ist es daher wichtig, selbst (=der/die an Krebs Erkrankte) die Initiative zu übernehmen. Die Angehörigen können nicht wissen, was der/die Betroffene denkt, fühlt und was er braucht.

Beide Seiten, der/die Krebserkrankte und die Angehörigen haben „ihre eigene Verantwortung“ hinsichtlich einer offeneren Kommunikation. Beide sollten sich für eine bessere Kommunikation miteinander etwas zumuten und sich nicht gegenseitig schonen. Deshalb sollten Angehörige und Betroffene aufeinander zu gehen und ins Gespräch kommen. Beide sollten herausfinden, wie und wo man am besten ins Gespräch  kommt.Hilfreich ist die Frage an den/die PartnerIn, wie diese/r denn behandelt werden möchte. Die Frage: „Was brauchst du von mir, um dich sicherer zu fühlen?“ kann dabei sehr unterstützend sein. Für viele Angehörige und Freunde des Erkrankten ist es schwierig, den ersten Schritt zu machen, die Initiative zu ergreifen. Sie sind oft so in ihren Phantasien und ihrer Angst gefesselt, dass eine Kommunikation praktisch blockiert ist. Daher sollten die Betroffenen, wie oben schon erwähnt, den ersten Schritt zur Verbesserung der Kommunikation tun. Schulz von Thun (1981) geht in seinem Vier-Seiten-Modell davon aus, dass jede unserer Nachrichten nicht eine sondern gar vier verschiedene Botschaften beinhalten. Wir vermitteln Informationen auf einer Sachebene, einer Selbstoffenbarungsebene, einer Beziehungsebene und einer Appellebene. Unser Gegenüber empfängt wiederum die Information auf den gleichen vier verschiedenen Ebenen. Auf der Sachebene geht es um Daten, Fakten und Sachverhalte. Die Selbstoffenbarungsebene beinhaltet meist Gefühle, Werte und Bedürfnisse unseres Gegenübers. Die Beziehungsebene vermittelt Informationen wie ich zum Anderen stehe und was ich von ihr/ihm halte. Auf der Appellebene finden sich unsere Wünsche, Appelle oder Handlungsanweisungen. Bei so vielen Ebenen auf Seite des Senders und Empfängers sind Missverständnisse daher nicht zu vermeiden. Abhilfe schaffen nur weitere offene und ehrliche Gespräche.

 

Ein Beispiel aus der Praxis:
Ein Ehepaar war beim Psychologen im Gespräch. Der Ehemann beklagte sich, dass er für seine an Krebs erkrankte Ehefrau alles tue aber sie seine Mühe niemals anerkannte. Seine Ehefrau äußerte das gleiche: Sie tue alles für ihren Mann, damit er nicht unter ihrer Krebserkrankung leide! In diesem Gespräch wollten beide Ehepartner für den jeweiligen Partner das Beste. Beide investierten viel Energie, arbeiteten sehr hart und bemühten sich um den anderen. Aber beide konnten die Bemühungen des anderen nicht sehen und wertschätzen. Beide waren frustriert und wütend.

Was war hier geschehen? Das Missverständnis, das hier zu einer gestörten Kommunikation geführt hatte war, dass beide Partner auf einer anderen Ebene miteinander versuchten, zu kommunizieren. Der Ehemann organisierte alles für seine Frau, baute ihr ein Gartenhaus, richtete für sie den Garten her und wollte ihr einen Wohlfühlort schaffen. Sie wollte aber mehr Nähe, ein Gespräch, ein einfaches Dasein zu zweit. Die Patientin wollte auf der Selbstoffenbarungsebene gehört werden und kommunizierte vermehrt ihre Bedürfnisse, der Ehemann dagegen hörte diese Bedürfnisse auf der Sachebene und versuchte auf dieser zu antworten. In einem weiteren Gespräch konnten die Schwierigkeiten der Kommunikation offen gelegt und für beiden Gesprächspartnern sichtbar gemacht werden. Es konnten Ängste und Wünsche offen ausgesprochen und neue Wege der „Kommunikation miteinander“ abgesprochen werden.

 

Schwieriger wird es wenn es darum geht Kinder mitzuteilen, dass ein nahestehende Bezugsperson an Krebs erkrankt ist. Prinzipiell empfiehlt sich hier früher ist besser als später. Kindern die Erkrankung gänzlich zu verschweigen ist keine gute Idee, sie merken schnell wenn etwas Wichtiges in ihrer Familie nicht stimmt. Das Fehlen von klaren Informationen gepaart mit kindlicher Fantasie schafft meist größere Ängste und Verunsicherung als die Wahrheit. Man kann Kindern nicht jede Belastung ersparen aber versuchen sie so gering wie möglich zu halten. Momentane Mehrbelastungen sind dadurch zwar möglich, dienen aber dem Aufbau einer tragfähigen, langfristigen Vertrauensbeziehung.

Für die Wahl des richtigen Zeitpunktes gibt es keine Faustregel, oft sind Eltern dazu versucht, das Gespräch hinauszuzögern, weil es ihnen schwerfällt über die eigenen Ängste und Gefühle die mit der Diagnose verbunden sind zu sprechen. Das ist in Ordnung und verständlich. Sie entscheiden selbst wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Ein zu langes Warten birgt allerdings die Gefahr, dass Ihr Kind von jemanden anderem davon erfährt oder zufällig ein vertrauliches Gespräch mit anhört.

Wählen Sie wenn möglich eine vertraute, geschützte und ruhige Atmosphäre für das  erste Gespräch. Wichtig ist das alle Beteiligten sich möglichst wohlfühlen. Kinder nehmen Informationen am besten in kleinen Häppchen auf und das in ganz einfacher Sprache. Sie wissen oft von selbst wann es ihnen zu viel wird, nehmen Sie Rücksicht und überfordern Sie ihr Kind nicht. Wenn es in der Familie unterschiedlich alte Kinder gibt, macht es Sinn, zuerst mit jedem Kind altersentsprechend zu sprechen und dann auch ein gemeinsames Gespräch zu suchen. Es sollte keine Geheimnisse vor einzelnen Familienmitgliedern geben.

Was Details zu Therapie und Behandlungsfortschritt betrifft, versuchen sie ihr Kind nicht zu überfordern. Kinder geben sich oft mit kurzen Erklärungen zufrieden. Versuchen Sie die wichtigsten Punkte dem Kind verständlich zu erklären. Wo ist Mama/Papa, was passiert im Krankenhaus und wie wird es wenn Mama/Papa wieder aus dem Krankenhaus nach Hause kommt? Signalisieren Sie Ihrem Kind, dass die Ärzte ihr bestes tun um zu helfen und dass Sie im Krankenhaus gut aufgehoben sind.

Kinder spüren wenn es ihren Eltern nicht gut geht. Der Versuch der Eltern, ihre Kinder nicht mir den eigenen Ängsten und Gefühlen zu belasten, klappt daher meistens nicht. Ihr Kind spürt, dass etwas nicht stimmt. Die eigenen Gefühle zu verstecken führt oft dazu, dass auch Kinder ihre Gefühle nicht richtig zulassen. Besser wäre es über die eigenen Gefühle zu sprechen und ihnen Platz einzuräumen. Es ist in Ordnung wenn dass Kind spürt, dass es Ihnen ähnlich geht. Kinder brauchen in dieser schwierigen Situation das Gefühl von Zusammengehörigkeit. Verbundenheit gibt Sicherheit und schafft Schutz. Neben den Gesprächen mit ihrem Kind ist daher auch Körperkontakt (z.B. in den Arm nehmen, kuscheln usw.) - als Form des Zusammenseins - eine wichtige Art der nonverbalen Kommunikation.

 

KurzeTipps zur „ allgemeinen“ Kommunikation

  • Hören Sie einander wirklich zu

Wenn wir nicht richtig zuhören, bekommen wir auch nicht mit, womit sich der andere gerade beschäftigt, ob es ihm gut oder schlecht geht und was er oder sie sich von uns wünscht. Wir merken es dann oft gar nicht, ob der andere traurig oder fröhlich ist, was ihn oder sie beschäftigt und ob er oder sie uns vielleicht etwas wirklich Wichtiges sagen möchte.

  • Achten Sie auf ein Gleichgewicht im Gespräch (keine Monologe)
  • Einander ausreden lassen
  • Ich-Botschaften statt Du-Botschaften

Sprechen Sie möglichst von sich selbst. Senden Sie „Ich-Botschaften“. Vorsicht: Der Satz  „Ich finde, dass Du mich bloß stellst“ ist und bleibt ein Angriff.  Beschreiben Sie, was das Verhalten anderer bei Ihnen auslöst(„Es tut mir weh, wenn Du...“). Sprechen Sie über  Gefühle und nicht über Bewertungen.

  • Beschreiben Sie, statt  zu bewerten oder zu etikettieren

Verzichten Sie unbedingt darauf, andere abzuwerten, zu bezichtigen (anzuklagen, anzugreifen, Fehler nachzuweisen) oder ihr Verhalten zu interpretieren (entmündigendes Gedankenlesen: „Ich weiß, was mit Dir los ist“ „Das sagst Du nur, weil...“). Hinterfragen Sie auch Unterstellungen anderer.

Helfen Sie Ihren Angehörigen besser mit ihnen umzugehen, dann wird auch besser mit Ihnen umgegangen.