DOPPEL-Thema des Monats Dezember - Jänner: "Krebs und Familie"

Zusammengestellt von Mag. Nina Semmernegg, Klinische und Gesundheitspsychologin bei der Krebshilfe Steiermark.

Krebs und Familie

Krebs betrifft die ganze Familie – vorallem an den Feiertagen

Die Diagnose Krebs ist ein Schock - nicht nur für die erkrankte Person, sondern auch für das gesamte Umfeld, allen voran natürlich die Familie.
Alle sind bestürzt, alle haben Angst, alle wollen helfen... doch niemand weiß wie. Oft entsteht dadurch ein betretenes Schweigen, aus Furcht etwas Falsches zu sagen oder zu tun.
Viele Betroffene sind eine ganze Weile in der Schockstarre und braucht oft Zeit für sich um einsortieren zu können was da gerade passiert ist und wie es jetzt weiter gehen soll. Aussagen wie „Du musst jetzt positiv denken“ oder „Das wird schon wieder“ erzielen oft nicht die beruhigende Wirkung, die sie haben hätten sollen, sondern machen im Gegenteil eher wütend oder setzen gar unter Druck immer gut gelaunt und optimistisch sein zu müssen. Andererseits hat man natürlich auch Verständnis dafür, dass die Situation jetzt für alle Beteiligten sehr schwierig ist und da die richtigen Worte zu finden ist auch nicht leicht.

„WIR“ sind krank
Obwohl von der Erkrankung selbst meist nur eine Person betroffen ist, so ändert dies doch in vielen Fällen den Alltag für die ganze Familie.
Als Partner/in damit konfrontiert zu sein, dass der Mensch den man liebt schwer krank ist, bringt das gesamte Leben stark ins Wanken. Sofort wird klar: Wir müssen jetzt sofort etwas machen! Aber was?
Viele realisieren in dieser Situation sehr schnell, dass man auch mit all seiner Liebe die Krankheit nicht wegzaubern kann. Ein Gefühl der Hilflosigkeit macht sich breit. Neben der Sorge und den vielen Arztbesuchen und anderen Wegen die sich nun plötzlich ergeben, hat man auch das Gefühl plötzlich alleine all das tragen zu müssen, das man zuvor noch zu zweit gemeistert hat. Zukunftspläne werden plötzlich in Frage gestellt und der Alltag wird zur Herausforderung.

Wenn Mama krank wird, die normalerweise kocht, putzt, sich um Hausaufgaben und Freizeitaktivitäten der Kinder, sowie die Haustiere kümmert, oder Papa krank wird, der normalerweise morgens am Weg zur Arbeit die Kinder zum Kindergarten und in die Schule bringt, das Fußballtraining organisiert, kaputte Fahrräder repariert und den Rasen mäht, wird plötzlich alles anders.
Wenn Eltern erkranken erschüttert das die Welt für Kinder oft sehr. Plötzlich ist viel mehr Betreuung durch Großeltern oder andere Personen notwendig, Körperkontakt zum erkrankten Elternteil wird erschwert oder phasenweise sogar untersagt und die Stimmung in der Familie verändert sich. Vielleicht wird ein Elternteil schneller wütend oder beginnt ohne ersichtlichen Grund zu weinen, die Nachbarin schaut mit diesem komisch mitleidigen Blick wenn man sie auf der Straße trifft und der Urlaub, auf den sich alle schon so gefreut haben, wird plötzlich auch abgesagt. Instinktiv spüren Kinder, dass da was nicht stimmt.
Für kleinere Kinder haben die Worte „Krebs“, „Operation“ oder „Chemotherapie“ oft keinerlei Bedeutung, sie haben keine Vorstellung was damit auf die Familie zukommen könnte. Zeitgleich spüren sie aber auch die Traurigkeit und Angst, die mit diesen Themen einhergeht. Oft fragen sie nicht nach, weil sie befürchten ein Tabuthema anzusprechen, oder die Eltern traurig zu machen. Manchmal geben sie sich auch selbst die Schuld daran „Mama ist sicher krank geworden, weil ich so schlimm war!“ sprechen dies aber aus Angst oder Schamgefühl nicht aus.
Auch wenn die Kinder schon erwachsen sind, verändert sich durch eine Krebsdiagnose der Eltern vieles. Der sichere Hafen, den das Elternhaus oft darstellt, ist von heute auf morgen plötzlich nicht mehr sicher. Nach Hause zu kommen ist nicht mehr mit diesem freudigen heimeligen Gefühl verbunden, sondern mit Sorgen und Ängsten. Man kann den Eltern ansehen wie schlecht es ihnen geht und man macht sich Vorwürfe ob man nicht mehr für sie da sein sollte. Doch wie soll man das neben Beruf und eigener Familie schaffen? Wollen die Eltern dieses Eindringen in ihre Privatsphäre überhaupt? Verkehrte Welt, waren denn nicht immer die Eltern für die Kinder da? Wie soll man sich nun in diesen Rollentausch einfügen?

Auch die Eltern erkrankter Personen leiden oft massiv darunter, wenn die erwachsene Tochter/ der erwachsene Sohn erkranken. Als Elternteil möchte man für sein Kind da sein, egal wie alt es ist, es beschützen und umsorgen. Sofort steht man mit gutgemeinter Hilfe oder Ratschlägen parat. Dass dies aber vielleicht für den/die Betroffene/n überfordernd sein könnte, bedenken viele Eltern in dieser Situation gar nicht. Wenn die gute Suppe oder der leckere Kuchen jetzt vielleicht gar nicht gegessen werden kann oder gar Übelkeit auslösen könnte, oder die langen Besuche und Gespräche vielleicht eher anstrengend als hilfreich sind, kann schon mal in der Hitze des Gefechts übersehen werden. Wo doch der Drang so groß ist IRGENDWAS ZU TUN...

Oh du Fröhliche...?
Gerade zu den Feiertagen, wenn Familienfeste ins Haus stehen, stellen sich besondere Herausforderungen für die Familie. Vielleicht gibt es Traditionen, die nun aufgrund der Erkrankung nicht durchführbar sind. Manchmal trifft man bei solchen Anlässen dann auch auf Familienmitglieder, zu denen unterm Jahr nur wenig Kontakt besteht, die man also schon lange nicht mehr gesehen hat und die womöglich gar nicht wissen wie es um die erkrankte Person steht. Dies kann sehr belastend sein. Als von der Krankheit Betroffene/r fühlt man sich schuldig („Jetzt ruinierte ich der ganzen Familie das Fest!“) oder ist auch traurig darüber bei der Schulaufführung der Kinder nicht dabei sein zu können. Weiters fühlt man sich ganz ungewollt und in einer ausgelieferten Art und Weise im Mittelpunkt „Alle behandeln mich wie ein rohes Ei, so als würde ich im nächsten Moment zerbrechen“ oder „Alle sagen mir wie gut ich aussehe, dabei entspricht das so gar nicht dem wie ich mich fühle!“
Nicht zuletzt belastet die Ungewissheit, ob es nicht vielleicht das letzte Weihnachtsfest ist, das man im Kreise der Familie verbringen wird können. Angesprochen wird dieses heikle Thema jedoch kaum, obgleich früher oder später wohl bei jedem Familienmitglied der Gedanke aufflammt. Aber es bleibt ein schweres Geheimnis, das jeder ganz alleine für sich trägt.
Das macht Angst und belastet sehr, worunter natürlich die Stimmung leidet. Das bekommt die ganze Familie zu spüren.
Als Kind der Familie ist man natürlich traurig, wenn Mama/Papa nicht zum Auftritt in der Schule kommen kann und es dieses Jahr nicht möglich ist Oma und Opa zu besuchen. Zeitgleich haben natürlich auch Kinder schon Verständnis dafür, dass alles ein wenig anders ist, wenn man krank ist.

Feste feiern, wie sie fallen...
Der aufmerksame Leser wird sich nun sicher fragen, wie man es denn besser machen könnte.
Natürlich gibt es hier kein „Backrezept“ das für alle Familien passend ist. Aber wie es eben beim Backen oft so ist: Man sucht sich das heraus, das einem am besten erscheint und tauscht manche Zutaten aus, um es für sich stimmig zu machen:
•    Das Wichtigste vorweg: Sprechen Sie miteinander! Niemand kann in einen anderen hinein schauen und so weiß man einfach oft nicht, was der andere brauchen  könnte, oder was im Kopf des anderen gerade vorgeht. Nachzufragen ist hier ganz entscheidend. Gerade gegenüber Kindern, die noch wenig Erfahrungen mit belastenden Lebenssituationen gemacht haben, ist es wichtig zu formulieren wie man sich selbst fühlt. Das gibt einerseits Erklärung und andererseits Legitimation eigene Ängste und Wünsche ebenfalls zu formulieren. „Ich habe Angst und bin traurig, oft weiß ich gar nicht mehr was richtig und was falsch ist. Ich weiß nicht, was noch alles auf uns zukommt, aber ich verspreche dir, dass du alle wichtigen Informationen bekommst, sobald ich selbst gute Worte dafür gefunden haben. Du brauchst keine Angst zu haben, dass ich dir etwas verheimliche und du darfst alles fragen was du wissen magst. Manchmal werde ich müde, schlecht gelaunt oder traurig sein. Das ist dann aber nicht deine Schuld, sondern die Schuld der Krankheit. Ich habe mit dem Arzt gesprochen, er sagt wir dürfen trotzdem kuscheln, weil Krebs nicht ansteckend ist. Und er hat mich auch beruhigt, dass niemand Schuld an der Krankheit ist. Krebs kommt aus dem Körper selbst heraus und man kann sie weder her- noch wegwünschen.“
•    Wenn es um die Planung des Weihnachtsfestes geht, spüren Sie einmal in sich selbst hinein und überlegen Sie welche der möglichen Optionen sich am angenehmsten anfühlt. Möchten Sie Ihre Ruhe haben und alleine sein, oder würde Sie das doch eher traurig machen? Welche Menschen hätten Sie gerne um sich und welche lieber nicht? Gibt es Traditionen, die Ihnen besonders wichtig sind und welche auf die man auch getrost verzichten kann? Wichtig ist, dass es sich für Sie stimmig anfühlt und sie nicht schon beim Gedanken an die bevorstehenden Feierlichkeiten Erschöpfung oder Groll empfinden.
Wie es dem Rest der Familie damit geht klammern Sie bei dieser Überlegung erstmals aus und wenn Sie wissen was Sie wollen kann man im gemeinsamen Gespräch schauen ob es sich auch verwirklichen lässt.
•    Trauen Sie sich auszusprechen, was sie gerne hätten und was nicht. Oft möchte man niemandem zur Last fallen, doch Angehörige fühlen sich manchmal so hilflos, dass sie versuchen alles gut zu machen und dies kann überfordernd sein. Sagen Sie deutlich was für sie stimmig ist (z.B.: „Ich möchte den 24. gerne ganz ruhig zu Hause mit den Kindern verbringen, ohne Großeltern oder sonst jemanden. Wir bestellen uns einfach Brötchen oder Pizza und machen es uns gemütlich. Am 25. könnt ihr dann die Großeltern besuchen. Ich werde dann zu Hause bleiben und mich ausruhen. So haben wir alle was davon.“)
•    Achten Sie auf sich und Ihre Bedürfnisse und motivieren sie Ihre Familie es Ihnen gleich zu tun, auch wenn es nicht immer einfach ist.
•    Scheuen Sie sich nicht davor die kostenlose Hilfe durch das Beratungsteam der Österreichischen Krebshilfe Stmk. in Anspruch zu nehmen, um für sich selbst und Ihre Familie einen individuellen Weg zu finden!

Die Österreichische Krebshilfe Steiermark wünscht Ihnen und Ihren Lieben frohe Festtage und ein wunderbares Weihnachtsfest!